Re-Enacting Stress in the Lab. On Environmental Epigenetics, Social Adversity and the Molecularisation of Mental Health
In den letzten zwei Jahrzenten können wir einen Wandel in der Art und Weise beobachten, wie die Biologie das menschliche Leben konzeptualisiert: nicht mehr hauptsächlich basierend auf einem unveränderlichen Genom, sondern zunehmen dadurch beeinflusst, wie wir leben. Innerhalb dieser Perspektive ist die Umweltepigenetik ein neuer wichtiger Forschungsansatz. Sie geht davon aus, dass unser Körper und Geist formbar sind und durch sozio-materielle Umweltaspekte, darunter Toxine, Ernährung und Stresserfahrungen, verändert werden können. Diese Anpassungen, so die Forscher*innen, erfolgen über molekulare Mechanismen, die die Art und Weise beeinflusst, wie unsere Gene abgeschrieben werden und damit, wie sich unser Körper und unsere Gesundheit entwickeln. Während die Umweltepigenetik wichtige neue Einsichten zum Verständnis des menschlichen Lebens als biosoziales Phänomen bietet, erweitert sie auch den biologischen Blick aus dem Labor auf geeignete Studienojekte in der realen Welt – eine Erweiterung, die möglicherweise soziale und politische Konsequenzen für das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft sowie für die wissenschaftliche Forschungspraxis mit sich bringt.
In dieser Arbeit wird daher untersucht, wie ein psychiatrisches Forschungsinstitut Ansätze aus der Umweltepigenetik integriert, um die Ursachen für und die Entwicklung von psychischen Gesundheitszuständen besser zu verstehen. Im Rahmen der epigenetischen Forschung in der Psychiatrie werden Stresserfahrungen als eine entscheidende epigenetische Umwelt beschrieben. Diese Konzeptualisierung fährt zu Forschungsstrategie, Stress in der Laborsituation nachzustellen. In meiner Dissertation gebe ich vertiefte Einblicke in diese alltäglichen Forschungspraktiken auf Grundlage ethnographischer Feldforschung, qualitativer Interviews und Literaturanalyse. Ich untersuche insbesondere die Inszenierung von Stress in drei verschiedenen experimentellen Versuchsanordnungen: Zellmodelle, Tiermodelle und Forschung mit menschlichem Material. Vor diesem Hintergrund argumentiere ich, dass diese unterschiedlichen Versuchsanordnungen ebenso unterschiedliche epigenetische Konfigurationen psychischer Gesundheit mit spezifischen sozialen Auswirkungen realisieren.
Neben der Analyse, wie Forscher*innen in ihren Experimenten mit Umwelt/Stress umgehen, befasst sich die Arbeit auch mit der Umwelt dieser Forschungspraktiken und dem biologischen Labor selbst. Aus dieser Perspektive zeige ich eine Diskrepanz zwischen den Idealvorstellungen der Wissenschaftler*innen über die Durchführung sauberer Stressforschung und den tatsächlichen Forschungsbedingungen. Das heißt, dass die Umwelt in der Epigenetik nicht nur als Stimulus in Stressexperimenten wirksam wird. Sie tritt auch als reales Phänomen in Erscheinung, das die Forschungspraktiken beeinflusst, wie z.B. eine laute Baustelle, die potentiell Auswirkungen auf Verhaltensexperimente mit Mäusen haben kann.
Angesichts der zentralen Hypothese der epigenetischen Forschung – nämlich, dass sich Umwelterfahrungen in unserer Biologie bis hinunter zum Zellkern widerspiegeln – liefert meine Arbeit wichtige Erkenntnisse darüber, wie epigenetische Perspektiven nicht nur in die psychiatrische Forschung integriert werden, sondern auch darüber, wie die Umweltepigenetik möglicherweise die biologische Forschung selbst verändern kann. Mit anderen Worten: Diese Arbeit zeigt, wie die Epigenetik das Potenzial hat, die Epistemologie der Lebenswissenschaften und unser sozialwissenschaftliches Verständnis des biologischen Labors zu verändern.
Georgia Samaras
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Projektleitung:
Georgia Samaras
Zeitraum:
2015-2020
Projekttyp:
["phd"]